Helfen als Lebensmaxime

Im Gespräch mit Mirko Klein über Bäume pflanzen im Regenwald, Schutzaktionen für Süßwasser-Schildkröten am Amazonas und ein besonderes touristisches Angebot

Mirko Klein hat die Welt gesehen. Als Marinesoldat der Bundeswehr durchpflügte er die Ostsee bis hin nach St. Petersburg. Im späteren zivilen Leben begleitete der gelernte Maschinenschlosser als freiberuflicher Kommunikationstechniker Formel 1-Rennen und andere hochkarätige Sportereignisse in alle Winkel der Erde. Jetzt hat Mirko Klein Anker geworfen. In Brasilien. Manaus lautet die Wohnadresse des 46-Jährigen, am Amazonas, ganz nah am Regenwald. Dort ist sein Motorschiff vertäut, die schlanke, blütenweiß gestrichene “Madame Agatha”. Eigentlich sollte das Schiff Urlauber aus Europa befördern, flussaufwärts, hin zu Dschungel-Erlebnissen abseits der gewohnten touristischen Angebote und dafür ganz nah der einzigartigen tropischen Natur des Amazonasgebietes und dem ursprünglichen Leben der Menschen dort. Verbunden ist diese besondere touristische Offerte mit Baumpflanzaktionen auf geschundenen Flächen im Regenwald und weiteren Aktivitäten zum Naturschutz. Das alles ist nun erst einmal zum Stillstand gekommen. Corona macht auch vor dem Dschungel nicht Halt und stürzt Mirko Klein in große Existenzsorgen. Keine Großveranstaltungen mehr, die sein Können als Kommunikationstechniker brauchen. Keine Schiffstouren, keine Einnahmen, keine Zukunft? Alle Naturschutz-Projekte abbrechen und das Schiff verkaufen? Mirko Klein will nicht aufgeben und wirbt um Unterstützung, um die Zeit überbrücken und überleben zu können, bis die Pandemie abgeflaut ist und die MS “Madame Agatha” wieder touristische Fahrt aufnehmen kann.
Dazu und zu vielen anderen Fragen gab Mirko Klein ein Interview.

Wie verschlägt es einen gebürtigen Sachsen aus Meerane in den Regenwald?

Ich habe viele Jahre lang regelmäßig als Techniker für ein deutsches Unternehmen – einen globalen Key Player im Bereich Kommunikation und Signalübertragung für internationale Großveranstaltungen – gearbeitet, war bei mehreren Olympische Spielen, Fußball - Europameister - und Weltmeisterschaften im Einsatz .

Für die Olympischen Spiele in Rio 2016 z.B. haben wir die Matrix der Kommunikation gebaut, auch die Zeitmessung. Ein toller Job. Um die Größenordnung deutlich zu machen: In Rio waren allein 18.000 Funkgeräte im Einsatz, deren Betrieb, Vernetzung, Funktionstüchtigkeit und so weiter geregelt werden musste.

Nun hoffe ich auf Olympia in Tokio und auf eine Einsatzmöglichkeit dort. Nach den Spielen in Rio wollte ich erst einmal etwas anderes machen. Ich hatte den Plan zur Südspitze Argentiniens zu reisen, an den Ort, von wo aus man in die Antarktis gehen kann, mein Traumziel. Doch dann erschien mir das doch zu frostig, und ich bin nach Norden aufgebrochen. Erst entlang der Ostküste Brasiliens, und als ich dann da oben war, bin ich natürlich ins Amazonasgebiet reingewandert und später mit dem Schiff über fünf Tage den Amazonas von Belem flussaufwärts bis Manaus gefahren.

Und in Manaus?

Dort habe ich viele Touren ins Amazonasgebiet gemacht und festgestellt, dass da nicht mehr alles so golden und so schön ist. Auf einer solchen Tour habe ich den 74-jährigen Soldado kennengelernt, der mir noch mehr über die großen Umweltprobleme am Amazonas erzählt hat. Der Mann lebt seit vierzig Jahren im Dschungel und versucht mit kleinsten Mitteln, den gequälten Regenwald irgendwie zu erhalten. Das hat mir imponiert, wahnsinnig imponiert. Anfangs haben wir uns nur mit Händen und Füßen verständigt. Doch manchmal erkennt man das Herz eines Menschen, ohne dessen Sprache sprechen zu können.

Soldado hat also für ein Aha-Erlebnis gesorgt?

In der Tat. Soldado hat eine Baumschule mit über tausend Itauba-Bäumen. Die haben das härteste Holz und waren und sind deshalb vor allem auch im Schiffbau sehr begehrt. Soldado fährt die Setzlinge mit seinem Kanu zu den Pflanzstellen im Regenwald. Inzwischen sind die Bäume in der Baumschule aber zu groß gewachsen fürs Kanu. Ein größeres Schiff ist nötig für den Transport in den Dschungel. Dem Mann muss geholfen werden, sagte ich mir. Ich wollte sowieso von meinem in Rio verdientem Geld etwas kreieren, und so kaufte ich ein Motorschiff. Das sollte die großen Bäume aufnehmen, liegt jetzt aber in Manaus vor Anker, gestoppt von Corona.

Menschen zu helfen, das scheint Ihnen ganz wichtig zu sein?

Ja, genau. Vor der Zeit in Brasilien habe ich, noch in meiner Heimatstadt Meerane, eine Hilfsaktion für ein Waisenheim in Nowoajdar bei Luhansk in der Ostukraine gestartet, für 314 Kinder, die ihre Eltern im Krieg verloren haben. Mit diesen Kriegswaisen stehe ich heute noch in Kontakt.
Mein Engagement im Amazonasgebiet soll letztlich auch den Menschen dort dienen. Alle Projekte sollen im Einklang stehen mit der Lebensweise der Einheimischen. Ich mag keinen, wie ich es nenne, “kolonialen Naturschutz”, wie ich ihn in Afrika erlebt habe, in Asien und jetzt auch in Brasilien. Manche Aktivisten kommen in den Dschungel und wollen mit erhobenem Zeigefinger den Menschen erklären, wie sie zu leben haben. Das liegt mir fern. Ich möchte den Dschungel-Bewohnern ein gutes Beispiel geben und mit ihnen Wege finden, Natur und Umwelt schonend zu behandeln. Ich will mit den Leuten reden, ohne arrogant von oben herab auf sie zu blicken, nur weil wir weiße Hautfarbe haben.

Welche Naturschutz- und Umweltprojekte verfolgen Sie genau?

Von der Baumpflanzaktion haben wir schon gesprochen. Ein weiteres Anliegen ist, die Süßwasser-Schildkröten am Amazonas, die auf der Roten Liste der bedrohten Arten stehen, zu schützen. Jetzt ist gerade Schildkröten-Zeit. Bis Dezember kommen die Tiere massenhaft aus dem derzeit niedrigen Flusswasser, um am Strand ihre Eier zu legen. Das zu beobachten, ist für jeden Naturfreund ein Erlebnis. Es lockt aber auch Wilderer an. Die Schildkröten und ihre Eier werden als Delikatesse gehandelt. Sammlergruppen streifen über sechs Monate lang den Fluss entlang und sacken Eier und Schildkröten ein. Das ist streng verboten, aber im Dschungel kontrolliert das keiner. Hast du aber ein Boot am Ufer liegen, mit Touristen, das nachts erleuchtet ist, auf dem auch mal gefeiert wird, dann meiden die Sammler diese Stelle. Ich will mich ja gar nicht mit den Menschen anlegen, die meist aus Not und Armut wildern. Doch schon durch die bloße Anwesenheit meines Schiffes sind die Schildkröten beschützt. So habe ich schon fünf Strände vor Wilderen gesichert.

Naturnaher Tourismus für Europäer – das ist Ihre Geschäftsidee?

Genau. Meine Idee ist es, dass Menschen während ihres Urlaubs Bäume pflanzen. Ich hatte anfangs einfache touristische Bootstouren angeboten, für Interessenten speziell aus Europa, und dabei festgestellt, dass sich die Touristen nach ein, zwei Tagen auf dem Amazonas langweilen. Da sollen sie halt Bäume im bedrohten Regenwald pflanzen, dachte ich mir. Mit dem Kauf des Motorschiffes “Madame Agatha” ist die Idee Wirklichkeit geworden. Das Schiff bietet Kajüten für Passagiere und kann das Pflanzgut transportieren. So hat jeder etwas davon. Die Touristen aus dem fernen Europa erleben einen exotischen, naturverbundenen, individuellen, einmaligen Urlaub und vollbringen zudem noch eine gute Tat, indem sie das Baumpflanzprojekt von Soldado mitfinanzieren, zum Erhalt des Regenwaldes beitragen. Das kann ein Abenteuer sein, denn die Pflanzstellen für die Itauba-Bäume liegen nicht in Ufernähe. Da muss in den Dschungel hineingewandert werden, über mehrere Kilometer, acht, neun Stunden Marsch. Davon kann man sich dann an Bord der “Madame Agatha” wieder erholen. Man kann Seekühe beobachten, mit wilden Delphinen schwimmen, angeln oder einfach nur die großartige Natur bewundern. Der Amazonas verändert jeden Tag sein Gesicht, 365 Mal im Jahr.

Bäume pflanzen im Regenwald, Schildkröten beschützen, Touristen unvergleichliche Erlebnisse bieten – das alles ist nun von Corona gestoppt.

Das ist bitter. Die Pandemie trifft mich hart. Alle die genannten Projekte stehen auf der Kippe. Die weltweiten Lockdowns haben den Tourismus ausgebremst. Auch Großveranstaltungen finden derzeit nicht statt, wo meine kommunikationstechnischen Kenntnisse gefragt wären. Ich sitze mit Frau und kleiner Tochter praktisch auf dem Trockenen. Die Naturschutzprojekte sollen aber nicht sterben. Doch allein schaffe ich das nicht. Um die Zeit bis zum Ende der Pandemie, so lange dies auch dauern sollte, zu überbrücken, wäre ich für jedwede finanzielle Hilfe dankbar. Wer für die Naturschutzprojekte spenden will der kann dies tun auf das Konto...
Kontakt zu uns aufnehmen kann man über unsere Internet Website Mamuclos-Expedition.org oder über Facebook ,Twitter oder auch Instagram

Wäre für Ihre Zwecke nicht vielleicht auch die Gründung einer NGO, einer Nichtregierungs-Organisation hilfreich?

Daran arbeiten wir tatsächlich. Ein Bekannter in der Schweiz, der viele Jahre in der Reisebranche gearbeitet hat, bereitet derzeit alles vor, eine NGO zu gründen, damit es in Brasilien weiter gehen kann.